Im Gegensatz zu der hohen Anzahl betroffener Kinder (im Grundschulbereich ca. 200.000) und dem Bedarf an qualifizierter Förderung liegen insgesamt nur wenige Studien vor, die die Effektivität einer Intervention überprüft haben (Übersicht bei Mannhaupt 1994, 2002, Tacke 1999). Im Vordergrund der Interventionsstudien stehen Ansätze auf der alphabetischen und orthographischen Entwicklungsstufe. Obwohl Kinder mit einer LRS häufig psychische Auffälligkeiten zeigen, wurde dieser Aspekt in der Interventionsforschung bisher kaum beachtet.
Im Gegensatz zur Popularität der Programme zum Training basaler Wahrnehmungsfunktionen sind die überwiegende Anzahl dieser Methoden nicht evaluiert. Trotzdem werden gerade Programme, die die basalen Wahrnehmungsfunktionen fokussieren, angeboten und häufig eingesetzt. Solange kein Wirksamkeitsnachweis dieser Programme vorliegt, sollten sie nicht in der Förderung eingesetzt werden, da dadurch eventuell wichtige Zeit der Entwicklung ungenutzt bleibt.
Förderung auf der alphabetischen Entwicklungsstufe
Die überwiegende Anzahl der Evaluationstudien ist dominiert von dem Ziel, phonologische Bewusstheit zu fördern. Die Wirksamkeit dieses Ansatzes konnte in verschiedenen Sprachen eindrucksvoll belegt werden (Übersicht in Schulte-Körne 2001c). Die Kombination von phonologischen Trainings mit Methoden zur Förderung von Teilprozessen des Lesenlernens (wie z. B. der Buchstaben-Laut-Zuordnung) erscheinen am wirksamsten zur Verbesserung der Leseleistung zu sein. Allerdings ist die Wirksamkeit des Trainings phonologischer Bewusstheit im deutschen Sprachraum auf die erste bis Mitte der zweiten Klasse beschränkt. So fanden Wimmer und Hartl (1991) keinen Therapieeffekt eines Phonologietrainings zum Ende der zweiten Klasse.
Förderung auf der orthographischen Entwicklungsstufe
Dass ein Rechtschreibregeltraining erfolgreich sein kann, zeigen mehrere Therapiestudien. Müller (1969) und Reith & Weber (1973) konnten bei Dritt- und Viertklässlern durch ein gezieltes Rechtschreibregeltraining die Zahl der Regelfehler erheblich reduzieren. Scheerer-Neumann (1988) untersuchte den Einfluß eines verhaltenstherapeutisch orientierten Regeltrainings auf die Rechtschreibleistung von Hauptschülern der fünften und sechsten Klassenstufe. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe erreichte die Experimentalgruppe signifikant bessere Ergebnisse beim Schreiben von Wörtern einer Prüfliste. Auch Schulte-Körne und Mitarbeiter (1997, 1998, 2001) fanden einen bedeutsamen Therapieeffekt bei Einsatz eines Regeltrainings (Marburger Rechtschreibtraining) bei Zweit-, Dritt- und Viertklässlern. Neben der Vermittlung von Rechtschreibregeln lernten die Kinder neue Strategien und Handlungsanweisungen, um zur richtigen Verschriftlichung zu gelangen. Dieses Programm war sowohl im Einzeltraining als auch im Förderunterricht und im Elterntraining wirksam.
Reuter-Liehr (1993) zeigte bei Fünft- und Sechstklässlern, dass eine Kombination aus Regeltraining und "Syllabierendem Mitsprechen" zu einer bedeutsamen Verbesserung der Rechtschreibfähigkeit führte. Auch Tacke und Mitarbeiter (1993) fanden anhand der Methode des "Syllabierenden Mitsprechens" eine deutliche Reduktion von Rechtschreibfehlern bei Drittklässlern.
Erwartungsgemäß sind Trainingsprogramme, die auf der Vermittlung von Rechtschreibregeln beruhen, erst ab Ende der 2. Klasse sinnvoll durchzuführen. So fand Dumke (1979) nur für einen Teil der trainierten Regeln Effekte. Ein Ergebnis, das möglicherweise durch das Alter der Kinder (2. Klasse) erklärbar ist.
In praktisch allen Therapiestudien wurde das Training außerschulisch, d.h. nicht von den Lehrern, durchgeführt. Es liegen bisher kaum Studien vor, die die Anwendbarkeit eines Trainingsprogramms im schulischen Setting untersuchen oder schulische und außerschulische Fördermaßnahmen in ihrer Effektivität vergleichen (Tacke et al. 1987).
Tacke et al. (1987) verglichen in ihrer Studie den konventionellen Förderunterricht mit zwei Varianten eines Regeltrainings bei rechtschreibschwachen Hauptschülern der 5. Klasse. Förderunterricht und Training wurden von den Lehrern durchgeführt. Die Trainingsgruppen zeigten nach einem Jahr gegenüber der Kontrollgruppe (Fördergruppe) keine signifikant verbesserte Rechtschreibleistung. Die Autoren stellten außerdem fest, dass die Motivation zur Mitarbeit bei den Trainingsgruppen (im Gegensatz zur Förderunterrichtsgruppe) extrem gesunken war. Dies zeigt, dass eine didaktisch und graphisch ansprechende Umsetzung des Trainings von entscheidender Bedeutung ist; die eigentliche Fragestellung der Studie bleibt aufgrund dieses offensichtlichen Motivationsdefizites der Schüler leider unbeantwortet.
Förderung durch Eltern
In mehreren empirischen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass Eltern in der Lage sind, ihr Kind adäquat zu fördern. Bushell et al. (1982) und Fry (1977) untersuchten den Therapieeffekt von verschiedenen Programmen zur Förderung der Lesefähigkeit, die Eltern mit ihren leseschwachen Kinder durchführten. Alle Kinder profitierten vom Üben mit ihren Eltern hinsichtlich der Lesegenauigkeit und des Leseverständnisses. Thurston und Dasta (1990) konnten zeigen, dass Eltern ihre Kinder anhand eines Lernprogrammes sowohl im Lesen als auch im Rechnen und in der Rechtschreibung erfolgreich fördern konnten und dass sich die Lerneffekte ebenfalls in der schulischen Leistungsüberprüfung zeigten. Für die deutsche Schriftsprache fanden Schulte-Körne et al. (1997, 1998), dass Eltern unter systematischer und regelmäßiger Anleitung in der Lage sind, die Rechtschreibleistung ihres Kindes zu verbessern. Ein weiterer wesentlicher Befund dieser Untersuchungen war, dass sich durch das Eltern-Kind-Training die Interaktion positiv verändert hatte und das Selbstwertgefühl der Kinder signifikant verbessert wurde.